Dienstag, 17. März 2009

4 Beobachtungen

Ich muss ehrlich (leider) zugeben dass Sao Paulo extrem westlich ist und somit gar nicht so unterschiedlich zu Europa wie ich gedacht (bzw gehofft) hatte. Aber es gibt vier Sachen die mir immer wieder hier auffallen, und die ich einfach mal beschreibe.

1. Bürgersteige

In Sao Paulo ist es so, dass jedes Gebäude, und die Stadt besteht ja fast nur aus riesigen Hochhäusern, für seinen Bürgersteig zuständig ist. Das führt dazu, dass die Bürgersteige vom einen zum anderen Haus völlig unterschiedlich sind. Das ist an sich nicht wirklich spektakulär. Aber weil Sao Paulo sehr hügelig ist, kommt es oft vor dass zwischen den zwei Bürgersteigen ein Höhenunterschied von einem halben Meter existiert. Die Häuser kümmerts nicht, weil ihr Teil ja in Ordnung ist. Für die Fussgänger ists allerdings nicht so ne Freude. Leute mit Nachtblindheit (Janina..) haben hier besonders viel Spass! Und fragt mich nicht wie das Blinde hier überleben. Ich frag mich immer ob die Stadt das irgendwann mal - wenn die vielen anderen Probleme bekämpft sind - glättet. Wer das jetzt nicht so spektakukär fand der soll mal herkommen und hier ne Weile rumlaufen.. ;)

2. Caipirinha

Caipirinhas stellen für mich das größte Rätsel dar. Wieso machen wir deutschen (europäer) die so anders als die Brasilianer? Kommt Capirinha nicht von hier? So hier mal 'ne Beschreibung wie die Brasilianer den Drink machen:

--> eine ganze Limone kleinschneiden und im Glass auspressen (soweit isses noch richtig)
--> Eis draufkippen, und zwar ganze Würfel (nichts mit crushed ice)
--> 2-3 große Esslöffel Zucker, und zwar weissen!! (wieso nehmen wir braunen??)
--> Cachaca drauf, und zwar bis das Glas voll ist (die sind ultra stark hier.. ich trink davon 2 am abend und bin hackedicht!) (capirioska, mit vodka, vertrage ich besser, da gehen 3 von rein)

3. Söhne

Es betrag sich zu einer Zeit, da war ich mal wieder feiern. Diesmal war es eine der wahnsinns uni parties, bei der man für 20 reais (6-7 euro) eintritt frei saufen kann. fairer deal auf jeden fall, wenn da nicht diese brasilianische ineffizienz wäre, aber dazu gleich noch.
Es war schon relativ am Ende der Party, da sass ich in der chillout lounge und habe mich mit 'nem Brasilianer unterhalten, den ich (positiv) angepöbelt habe weil er ein Deutschland-Trikot trug. Gegenüber von uns gab es ein bisschen stress, und es kamen mehrer Türsteher und Securities usw um die Situation zu klären. Kurze Zeit sah es dann so aus als würde ein Türsteher gleich einen Gast verprügeln. Mein Gesprächspartner aber konnte mich beruhigen mit den Worten: "Ach da passiert eh nichts. Siehst du den Kerl im weissen Shirt? Dessen Opa ist der Mafia-Boss von Sao Paulo." Ich so:" WHAT?" Naja es stimmte wohl scheinbar. Die Türsteher wurden nicht handgreiflich sondern baten die Kerle zu gehen und es ging alles ohne größeren Stress von der Bühne. Naja, mit dem will man sich eher mal nicht anlegen. Ich kanns immer noch nicht fassen dass ein stadtbekanntes Mafia Kind mit mir studiert.. Wo man in Maastricht die Kinder von CEOs kennenlernt, kann man hier die Mafiafamilien kennenlernen.. Soviel auf jeden Fall zu den Unterschieden Maastricht-Sao Paulo.

4. Bürokratie

Brasilianer sind einfach sooo ineffizient! Hier mal einige Beispiele:

- Wenn ich in meiner Uni-Cafeteria einen Cafe kaufen will, muss ich erstmal zu einem Schalter gehen und meine Bestellung abgeben und bezahlen. Habe ich das getan kann ich an einen anderen Schalter gehen und dort nochmal meine Bestellung mit dem Kassenbon als Zahlungsbeleg abgeben. Dann wird mir endlich mein Cafe zubereitet.

- So das ganze geht noch besser: Wenn ich in meiner Uni was drucken will (die story wurde mir von einem Freund erzählt - seitdem versuche ich es erst gar nicht) muss man zuerst im 5. Stock in einen Computer-Raum und das Dokument an einen bestimmten Drucker schicken. Dann geht mal, auch im 5. Stock immerhin, zum Office und muss die Computer-Nummer nennen von dem man das Dokument verschickt hat. Danach geht man in die Cafeteria und kauft eine Druckerkarte. Die bringt man dann zum Office zurück, die mittlerweile das Dokument gedruckt haben. Will man die Blätter dann aber zusammengetackert haben, muss man nochmal eben in den 7. Stock, weil es nur da Tacker gibt...

- So jetzt aber die Klimax - das habe ich heute erlebt. In Brasilien ist es scheinbar verboten ganze Bücher zu kopieren (wg raubkopien etc.). Ich brauchte aber ein ganzes Buch kopiert weil das Buch ausverkauft ist (gab nur 15 kopien für 40 studenten) und wir das ganze Buch eben lesen müssen. Natürlich gibt es in der Uni keine Kopierer zum selberbedienen - nein, es müssen natürlich 2 kopier-offices sein die jeweils ein paar Angestellte haben (oder vielleicht sind es auch freiwillige Studenten oder so.. keine Ahnung). Die Regel des Kopierens besagt weiter, dass man nur 10% eines Buches kopieren darf. Bei einem 140 Seiten langem Buch (7 Kapitel) sind es also nur 14 Seiten. Die Leute sind aber gnädig und kopieren dann noch bis zum Ende des Kapitels weiter - geheim versteht sich. Was macht man also wenn man das ganze Buch braucht und nicht nur 14 Seiten? Folgendermaßen:
1. Ich gehe zu Office 1 und lasse ein Kapitel kopieren
2. Ich gehe zu Office 2 und lasse dort, duch ein wenig Glück und Kulanz gleich 2 Kapitel kopieren
3. Ich gebe das Buch einem Freund der genau das selbe noch einmal macht.
4. Ich nehme das Buch zurück und hoffe dass ein anderer Angestellter mich bedient (falls nicht komme ich am nächsten Tag nochmal, da haben die das mit Sicherheit vergessen) und lasse das Letzte Kapitel kopieren.
Jetzt sind mindestens mal 2 Stunden vergangen, ich habe trotzdem das ganze Buch kopiert bekommen, und es hätte einfach mal nur 20 minuten gedauert hätt ich es selber machen können. Aber klasse Brasilien: die Regel macht auf jeden fall sinn und umgangen werden kann sie auch auf keinen Fall! Top!


Soviel also zu dem Post. Am Mittwoch nächste Woche gehts erstmal für 5 Tage nach Buenos Aires, 3 Tage später kommen dann meine Eltern und Sarah und wir fliegen ins Amazonasgebiet! Während die 3 dann weiterreisen fliege ich wieder zurück um nochmal schnell 4 exams die Woche drauf zu schreiben..

So hier noch ein paar Bilder von der letzten Party, so als lese-bonus.




Montag, 9. März 2009

Freitag, 6. März 2009

Als Touri in Rio


So jetzt nach 'ner kleinen Schreibpause das nächste Update. Ich bin hier extrem busy, weil ich viel sport mache (ja mama du kannst deinen augen wirklich trauen!) und danach meistens noch weggehe. Ich spiele jetzt jeden Montag fussball mit einigen brasilianern (21 bis 23 uhr) und jeden dienstag und donnerstag (auch von 21 bi 23 uhr) rugby im uni-team. bin zwar der kleinste und schmächtigste im team, aber das passt schon. naja und seit montag bin ich jeden abend dieser woche nach dem sport noch was trinken gegangen - meistens so bis 3 uhr morgens. und für das wochenende sind auch schon jeden tag wieder parties geplant ;)

Aber der Post hier ist ja eigentlich über Rio - denn nach dem ganzen Karneval feiern haben Stefan und ich uns natürlich noch die üblichen touri-spots angeschaut. Die sache ist nur dass ich oft meine Kamera aus angst vor überfällen nicht dabei hatte. D.h. ich habe nicht so sehr viele bilder gemacht, z.B. habe ich keine von der Copacabana oder Ipanema. Aber gut ich habe ein paar gemacht und die zeige ich euch hier mal.

Als erstes natürlich der Jesus:



Mir ist eben aufgefallen dass ich sonst fast keine bilder von den sehenswürdigkeiten gemacht habe ;) Naja jedenfalls waren wir noch auf dem Zuckerhut (kann man mit einer Seilbahn rauffahren), was leider nicht so toll war weil sich eine einzige Wolke direkt auf den Zuckerhut geparkt hat und nicht weggehen wollte, auch nicht nach mehrfachen auffordern. D.h. wir konnten im Prinzip nur in eine weisse Wand schauen. Aber ich habe ein paar bilder aus der gondel gemacht:




Das letzte Bild zeigt den Zuckerhut vom Jesus aus fotografiert.

Von allen "Attraktionen" war aber, finde ich, die Favela Tour die interessanteste. Man lebt hier in Brasilien ja ständig mit der Gefahr ausgeraubt zu werden - und am meisten fürchtet man natürlich die Favelas. Das sind eigentlich no-go areas, und viele Kriminelle kommen natürlich auch von da. Deswegen war es umso interessanter mal ein Favela von innen zu sehen und zu erleben dass auch in den Favelas ein ganz normales leben möglich ist. Das Favela das ich besucht habe - Rocinho - ist eines der ältesten und somit "fortgeschrittensten" Favelas. D.h. es herrscht ein gewisser Wohlstand im Vergleich zu anderen, neuen, Favelas. Das klingt erstmal pervers, aber die Bewohner da haben fliessend Wasser, ein Abwassersystem das zum Großteil unterirdisch ist und Elektrizität. Auf der Tour habe ich sogar 2 Internet-Cafes gesehen! Anfangs wollte ich keine Tour ins Favela machen - man muss sein Glück ja nicht herausfordern - und ich hatte auch kein gutes Gefühl dabei mir arme Menschen anzuschauen. "Hier ist das Affengehege, daneben sehen Sie die Giraffen, und da hinten, wenn Sie ein bisschen geduldig sind und Glück haben, können sie vielleicht ein paar Arme beim essen suchen beobachten".. Aber Stefan und Niels haben mich dann überzeugt und ich bin sehr froh es gemacht zu haben. Die Touren unterstützen lokale Projekte und die Touris bringen Geld ins Favela, von daher sind die Touren relativ sicher. Unsicher sind sie nur dann wenn die Polizei wieder mal Razzia macht - dann sterben öfter mal Unbeteiligte. Aber wir hatten Glück und die Polizei hat an dem Tag keine Razzia angekündigt.

Was mich so fasziniert hat ist die Normalität des Lebens dort. Die Leute sind nicht alle am verhungern und es ist gar nicht so elend. Es liegt zwar konstant der Geruch von Abwasser in der Luft - wovon mir teilweise auch schlecht wurde - aber die Menschen sehen fröhlich aus, es gibt viele kleinere Läden, und bis auf die Drogenmafia scheinen die Leute auch friedlich zu sein. Eine typische dumme Amerikaer-touristin musste natürlich die Frage stellen: "Also was ist denn die Hauptbeschäftigung der Leute, leben die alle von Drogen?" Diese Ignoranz hat den Guide ganz schön angepisst ("Nein hier leben nicht 200.000 Drogendealer!") - aber dafür hat die Frau später in einem Laden für mehrere hunderte Reais Bilder eingekauft..

Das Favela - 200.000 Menschen leben in Rocinho.

Die Leute bauen unkontrolliert Haus auf Haus (die auch teilweise natürlich einstürzen), und somit ergeben sich immer nur enge kleine Wege zwischen den Häusern. Man muss sich mal überlegen dass alle Materialien und Möbelstücke und sonst noch was, durch diese Gassen den Berg herauf geschleppt werden müssen. Da freut man sich doch schon auf die nächste Couch..

Favela Kinder. In Brasilien ist Familie extrem wichtig. Als Beispiel: Meine 24-32 Jahr alten Mitbewohner fahren eigentlich jedes Wochenende nach Hause zu ihren Eltern. Familie ist auch der Grund warum viele Favela-Bewohner die Favelas gar nicht verlassen wollen - auch wenn sie es vielleicht könnten - weil eben ihre Familie im Favela lebt.



Die typischen kleinen Gassen. Ich verstehe immer noch nicht wie man sich in den Favelas orientiert..

Wer also nach Rio geht als Tourist sollte es nicht verpassen so eine Tour zu machen. Wir haben die Tour mit Be a Local gemacht und ich bin zufrienden gewesen, obwohl der Führer nicht so gut englisch konnte und nicht so sehr viel erzählt hat. Eine andere Adresse ist Favela Tour.

Zum Schluss sind Stefan und ich noch ne abgefahrene Fahrt mit der alten Tram (fährt von Lapa durch Santa Teresa) gemacht. Wer das macht sollte sich nicht hinsetzen, sondern sich aussen dranhängen - das macht auf jeden Fall mehr Spass! Und am besten ist wenn man dann über das alte Aquädukt fährt. Hier mal ein Bild und ein Video: Am besten ihr ignoriert einfach mein wunderschönes (verstörtes) lachen im hintergrund - aber ich war auf dem 10-15 Meter hohen Aquädukt dann doch etwas überrascht wie wenig Platz zwischen dem Fuss und dem Abgrund ist... Die brasis haben es ja nicht so mit Regulierungen und Sicherheit..